Kati: Es tut gut, wieder mit dem Motorrad unterwegs zu sein. Wir bekommen wieder alles um uns herum hautnah mit: ein Wetter wie in Schottland, das uns diverse Male mit Regengüssen überrascht, die nach Minuten wieder vorüber sind und die Natur, die die steigenden Temperaturen mit Knospen und Blüten belohnt. Es ist wieder leicht mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen, seit wir nicht mehr mit diesem quietschbunten Camper unterwegs sind.
Es war schön, endlich die Großstadt Auckland hinter sich lassen zu können. Über die kurvenreiche Halbinsel Coromandel ging es weiter zu geothermischen Quellen, Seen und Vulkanen. Wir erleben die maorische Kultur hautnah und sind dann an die Ostküste gefahren. Aber nun schön der Reihe nach...
Auf der Coromandel befindet sich der im Sommer populäre Hot Water Beach. Wir kommen leider in jeder Hinsicht zur falschen Zeit: erstens ist hier gerade erst der Frühling im Anmarsch mit dementsprechend lauen Temperaturen und zweitens ist eh gerade Flut und der „heiße“ Strandabschnitt wird von den Fluten verdeckt. Gibt das Wasser den Sand hier wieder frei, kann man mit einer Schaufel ein Loch in den Sand graben, dass sich dann mit geothermisch aufgewärmtem Wasser von unten füllt - quasi die warme Badewanne direkt am Strand.
Auf dem weiteren Weg Richtung Rotorua konnte ich meinem Mann dann endlich mal meine eigene neuseeländische Stadt präsentieren: Katikati. Ein Stopp am Ortsschild war hier natürlich Pflicht - wer weiß ob ich so etwas irgendwo auf der Welt mal wieder zu sehen bekomme. Und während wir kurz darauf am Straßenrand stehen und unsere Blicke entlang der Hauptstraße schweifen lassen, spricht uns Ian an. Er fährt ebenfalls eine BMW und muss natürlich mehr über die Motorräder erfahren. Dann gibts noch ein paar Streckenempfehlungen und gut gemeinte Hinweise. Der wichtigste davon (und auch noch von einem waschechten Kiwi): Achtung, die Neuseeländer fahren wie die Sau! Na dann können wir mit unserer Einschätzung der Fahrleistungen hier ja wenigstens niemanden beleidigen...
Über kurvige Straßen geht es weiter nach Rotorua. Den See nimmt man schon wahr, während man ihn noch gar nicht sieht, nämlich durch die Nase. Der Schwefelgestank mit einem Geruch wie faule Eier verbreitet sich je nach Windrichtung mehr oder weniger in der ganzen Umgebung. Es qualmt und dampft überall: in Gärten und Parks, aus Flüssen und Abwasserkanälen. Aber man scheint sich irgendwann daran zu gewöhnen - wie sonst halten es die Bewohner nur hier aus...?
Auch unser Campingplatz direkt am See profitiert von den heißen Dämpfen. Direkt hinter unserem Zelt läuft ein heißer Bach entlang und der Boden für die Zelte wird auf natürliche Art und Weise leicht aufgeheizt. Das war unsere erste Nacht auf einer natürlichen Fußbodenheizung - wobei es schwer zu sagen ist, wie groß wohl der Temperaturunterschied war. Der einzige Nachteil ist, dass am Morgen nicht nur das Zelt von außen pitschnass ist, sondern sich auch unter den Matten & Co. Ein Haufen unwillkommener Kondensfeuchtigkeit angesammelt hat.
Gesundheitlich immer noch durch eine abklingende Grippe angeschlagen gönnen wir uns einen Tag „Energie tanken und relaxen“ und verbringen den Vormittag im „Polynesian Spa“ mit genialem Blick über den See. Dieses Spa gehört zu den 10 besten der Welt und verwöhnt uns mit verschiedenen Thermalpools. Jahreszeitbedingt gibt es nur wenige Besucher - die meisten sind Einheimische. Draußen sind vielleicht gerade mal 10 Grad, aber die Sonne lacht vom strahlend blauen Himmel. Besonders der 40 Grad warme mit Radium angereicherte Pool direkt am Ufer hat es uns angetan. Das Wasser soll besonders gut für Muskeln und Gelenke sein - nach 9 Monaten auf dem Moped eine gute Sache und vor allem ein seltener Luxus...
Doch unser Luxus-Tag ist noch nicht zu Ende, denn am Abend kommt ein weiteres Highlight. Wir sind sehr interessiert an der Kultur der neuseeländischen Ureinwohner - der Maori. Wir besuchen also ein historisches Dorf mit entsprechendem Rahmenprogramm. Schon auf der Busfahrt zu dem außerhalb von Rotorua gelegenen Dorf mitten im Wald klärt uns unser Fahrer Wati über das offizielle Besuchsprotokoll auf. Dann muss unser Bus noch einen „Chief“ wählen - die Rolle übernimmt Eduardo aus Argentinien. Wir lernen noch einige Worte Maori und sind gerüstet für den Abend.
Bevor wir das Dorf betreten dürfen, müssen sich die Chiefs der drei Busse dem Kriegstanz und den Bedrohungen der Gastgeber stellen, die dann eine Friedensmitteilung überreichen. Nachdem sich die Chiefs in der ersten Reihe nicht von den Bedrohungen und dem Geschrei der Maori erschrecken ließen, werden sie vom Chief der Gastgeber mit dem traditionellen „hongi“ begrüßt. Dabei werden Stirn und Nase zweimal aneinander gepresst - fast wie bei den Eskimos.
Der Gang durch das Tor ins Dorf ist wie ein Sprung durch die Zeit. Sehr authentisch wird uns hier das Leben der Maori im 19. Jahrhundert gezeigt. Wir gehen von Haus zu Haus und lernen über das Leben, die Nahrungszubereitung, Vorratshaltung und die Erziehung der Kinder. Der Schnitzer des Dorfes, der tatsächlich alle hier zu sehenden Holzskulpturen und Masken selbst gefertigt hat, zeigt uns ein wenig seines handwerklichen und künstlerischen Talentes.
Die Krieger der Maori müssen hart trainieren. Nicht nur der Umgang mit ihren selbst gefertigten Waffen will gelernt werden, sondern auch die sogenannte „Fußarbeit“. Es gibt 50 verschiedene Schrittfolgen, die alle den Bewegungen der heimischen Vögel nachempfunden sind. Die Schritte werden in verschiedensten Kombinationen bei den unterschiedlichen Tänzen eingesetzt. Das war schon faszinierend zu sehen, wie gestandene kräftige Mannsbilder mit leichten fast schon schwebenden Schritten vor uns hertanzen.
Im großen Versammlungshaus werden wir dann Zeuge der verschiedenen traditionellen Lieder und Tänze. Das Repertoire ist total umfangreich. Von lieblichen Geschichten, die melodisch klingen und mit sanften Bewegungen begleitet werden bis zu aggressiv wirkenden Kriegstänzen ist alles dabei. Dabei weicht der Gesang dann eher einem Geschrei. Frauen dürfen hier übrigens nicht in der ersten Reihe sitzen. Sollte nämlich ein Kampf zwischen Gastgebern und Besuchern erfolgen, sind die Männer die Beschützer. Das ist ja schon mal sehr beruhigend.
Wir füllen unsere Bäuche mit einem traditionellen „hangi“, bei dem Fleisch und Gemüse über Stunden in einem Erdhaufen über dem Dampf heißer Lavasteine gegart werden - sehr lecker! Nach ein paar Worten und Liedern zum Ausklang geht der Abend auch schon zu Ende. Doch wer auf eine ruhige und entspannte Busfahrt zurück eingestellt war, hat die Rechnung ohne unseren Wati gemacht. Die Fahrt soll unseren Horizont erweitern und uns noch mehr Kulturen eröffnen. Daher muss jede anwesende Nation ein Lied aus der Heimat zum Besten geben - ach Du Sch.... ! Chief Eduardo beginnt mit einem spanischen Lied, dessen Melodie uns seltsam vertraut erscheint. Dann wechselt er ins englische und schon singt der ganze Bus „ We all live in a yellow submarine...“. Das Gelächter ist groß. Zwei Damen aus England weigern sich zu singen und sind nicht mal zum Lachen zu bewegen. Malaysia schüttelt sich unter Lachkrämpfen und kann und will auch nicht singen. Dann kommt Germany. Eduardo drückt mir das Mikro in die Hand. Na und was haben wir wohl gesungen? Genau! Gutes schwäbisches Liedgut, wobei es uns sehr schwer fiel ernst zu bleiben. Die seltsame Sprache hat den Bus so erheitert, dass alle brav mitgeklatscht haben. Es folgten Lieder aus Australien und Singapur und auch Malaysia hat sich dann doch noch getraut. Fahrer Wati hatte einen Mordsspaß und hat zurück in Rotorua erstmal 10 Runden mit uns im Kreisverkehr gedreht und im Takt gehupt. Was für ein Tag - Spaß pur und das mal ganz ohne Mopeds...
Hier ein kleiner Einblick in den Abend bei den Maori...
Von Rotorua aus sind wir erstmal im Landesinneren geblieben. Über eine wenig spektakuläre Straße ging es weiter nach Taupo an den gleichnamigen Lake. Dort findet sich eine gute Basis für Tagestouren, denn die Umgebung hat allerhand an heißen Quellen und Vulkanen sowie tollen Strecken fürs Motorrad zu bieten. Wir entscheiden uns daher ein paar Tage zu bleiben und von hier aus die Umgebung unsicher zu machen.
Ein Pflichtstopp in Taupo sind natürlich die Wasserfälle - angeblich eine von Neuseelands Top-Attraktionen. Wir waren etwas vom Anblick überrascht, denn die Huka Falls stürzen sich halsbrecherische 11 m in die Tiefe. Beeindruckender ist da schon die Wassermenge. Der ursprünglich sehr breite Fluss Waikato zwängt sich durch eine nur 15 m breite Schlucht und presst so 200.000 Liter Wasser pro Sekunde über die Klippe.
Nach ein paar trüben kalten Tagen scheint auch endlich mal wieder die Sonne. Das perfekte Wetter für eine Tagestour. Die Straße führt am Lake entlang, wo uns am südlichen Ende der Tongariro Nationalpark erwartet. Er ist der älteste Nationalpark Neuseelands und Heimat von drei aktiven Vulkanen mit bis zu 2.797 m Höhe - sie bilden zusammen das Tongariro Massiv. Unendlich viele Wege führen durch den Park und bieten immer wieder neue faszinierende Aussichten auf das Massiv. Schon unheimlich, wenn man weiss, dass die Vulkane aktiv sind und jederzeit ausbrechen könnten. Wie gehen damit wohl die Menschen um, die direkt am Fuß des Vulkans leben…?
Dann ist auch schon Abschied von Taupo angesagt. Da uns extrem anhänglicher Husten und Schnupfen immer noch nicht losgelassen haben, fallen die Etappen derzeit leider etwas kürzer aus als geplant. Am Morgen der Weiterfahrt erwartet uns mal wieder eine graue Wolkenschicht am Himmel. Wir verzichten aber erstmal ganz frech auf den Regenkombi ... und werden natürlich mehrmals von Schauern überrascht. Als wir uns dann geschlagen geben und den Regenkombi überschmeißen, ist natürlich Ende mit dem Regen. Das funktioniert irgendwie immer! Auf halbem Weg nach Napier wird die Strecke und Landschaft immer abwechslungsreicher. Schade nur, dass die Straßen nass und rutschig sind und wir von einer steifen Brise ständig aus den Kurven geschoben werden. Bei besserem Wetter hätten wir die Fahrt sicher noch mehr genießen können.
Napier wird von Architektur-Begeisterten als die Art-Deco-Hauptstadt der Welt gesehen. Aber da wir ja bekennende Kulturbanausen sind, verzichten wir auf entsprechende Touren und erkunden die Stadt ein wenig zu Fuss. Die Gebäude wurden alle nach 1931 wieder aufgebaut, nachdem ein verheerendes Erdbeben die Stadt dem Erdboden gleich gemacht hat. Die direkt am Ufer entlang laufende Marine Parade nutzen wir für einen ausgedehnten Spaziergang. Der immer noch herrschende Sturm lässt das Meer lautstark an den Strand krachen.
Unser nächstes Ziel von hier wird Wellington sein, von wo aus wir direkt auf die Fähre wollen, um die tolle Südinsel unter die Reifen zu nehmen. Wir werfen dann einen Blick auf den Rest der Nordinsel, wenn wir auf dem Rückweg nach Auckland sind, von wo am 12. November unser Flieger nach Chile geht.
orca (Dienstag, 13 September 2011 10:15)
Wie wunderbar, dass ihr mir NZ wieder näher bringt.
Meine Reisepartnerin vor 10 Jahren hieß auch Cati und selbstverständlich hielten wir in Katikati :-)
Die Fahrt von Napier nach Wellington über Waipukurau, Weber, Masterton, Tablelands mit einigen Abstechern zur Küste kann ich nur empfehlen.
Und für die Südinsel drücke ich euch ganz doll die Daumen für gutes Wetter!!
Tobias Riekher (Dienstag, 13 September 2011 10:41)
Ohman NZ ich war letztes jahr da ohne Bike. nun plane ich die Rückkehr für mind. ein Jahr. Länger wenn es klappt und ich nen Job finden würde einfach ein super Land!!
Katja (Dienstag, 13 September 2011 21:04)
Toller Bericht, tolle Bilder! Vielen Dank!
Holger (Mittwoch, 14 September 2011 07:36)
Schoene Photos! Hab noch nicht alles gelesen, aber mir fiel grade siedendheiss ein, dass ich euch noch auf eine Besonderheit im neuseelaendischen Verkehr hinweisen wollte. BEIM RECHTSABBIEGEN HAT MAN/FRAU VOR EINEM ENTGEGENKOMMENDEN LINKSABBIEGER VORFAHRT! Wenn mans nicht weiss steht man dauernd wie bloed auf der Mitte und wundert sich warum der Linksabbieger aus dem Gegenverkehr ploetzlich stehen bleibt.....
Viel Spass noch und unfallfreies Fahren!
Bea & Helle (Mittwoch, 14 September 2011 18:33)
Hallo ihr 2!
Die Foto´s und Reiseberichte machen uns schon so richtig Lust auf Neuseeland! :-)
"Leider" dauert es bei uns noch ein wenig, bis wir nach NZ kommen. Wir haben ja die letzten 3 Monate Osteuropa durchquert und sind nun vor einer Woche von Vladivostok nach Bangkok geflogen und müssen jetzt geschlagene 4 Wochen (!!) auf unsere Motorräder warten, die im Container nachkommen! :-(
Dann werden wir erst mal Südostasien unter die Reifen nehmen bevor wir nach Australien und dann Neuseeland weiter reisen... Aber einige Highlights wie den Lake Taupo werden wir uns gleich mal vormerken! :-)
Viele Grüße
Bea & Helle
Birgit (Donnerstag, 15 September 2011 11:46)
Hi Kati , Hi Jens,
also zelten mit beheiztem Boden...ich könnte mich glatt hin reißen lassen ;-))
Wieder eine toller Bericht und super schöne Bilder von Land und Leuten.
Ganz liebe Grüße auch von Sven und den "M-Schweinchen"
Birgit
Thomas (Donnerstag, 15 September 2011 22:24)
Ich liebe eure Berichte und auch eure Videos und Bilder.
Das gild auch für meine Frau die ebenfalls, wie ich, eine Reiseenduro fährt.
Eure Berichte trösten uns darüber hinweg das unser Motorradurlaub, vom Ruhrgebiet bis an das südliche schwarze Meer, wegen einem Unfall (und einem defekten Vergaser) ausgefallen ist.
Ich kann nur sagen "WEITER SO"!! ;-)
Ich hoffe das weiterhin alles so gut läuft.
In diesem Sinne, alles gute und eine schöne Fahrt.
Tom